Relativ wenig Aufmerksamkeit in der Fachöffentlichkeit, namentlich unter Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten, hat ein Urteil gefunden, mit dem der Bundesgerichtshofs (BGH) noch einmal klargestellt hat, was eigentlich auch vorher rechtlich unstreitig war, in der Praxis aber immer wieder nicht rechtskonform gehandhabt wird: Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen, ihre Leistungsbilder sind vielmehr nichts anderes als Gebührentatbestände zur Berechnung des Honorars. Was ein Landschaftsarchitekt seinem Auftraggeber vertraglich schuldet, ergibt sich folglich nicht aus der HOAI, sondern allein aus dem geschlossenen Vertrag, in der Regel also aus dem Recht des Werkvertrags gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB). Mit der gebührenrechtlichen Unterscheidung in Grundleistungen und Besondere Leistungen wird nur geregelt, wann der Landschaftsarchitekt sich mit dem Grundhonorar begnügen muß und wann er, wenn die vertraglichen Voraussetzungen hierfür dem Grunde nach erfüllt sind (und dies zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart ist), zusätzliches Honorar berechnen darf. Der BGH hat mit dieser Entscheidung das Urteil eines Oberlandesgerichts korrigiert, wonach den Leistungsbildern der HOAI eine "Leitbildfunktion" zukomme, weshalb ein Architekten-/Ingenieurvertrag regelmäßig auf die Grundleistungen beschränkt sei. Der Landschaftsarchitekt schuldet demzufolge seinem Auftraggeber beispielsweise nicht einen "Landschaftsplan nach HOAI", wie häufig zu lesen und zu hören ist, sondern einen Landschaftsplan entsprechend den jeweils geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften, z.B. nach bayerischem, hessischem, niedersächsischem Naturschutzgesetz. Der Plan ist als mängelfreies Werk im Sinne des BGB abzuliefern, und zwar unabhängig davon, ob die zu seiner Herstellung erforderlichen Besonderen Leistungen vergütet worden sind oder nicht !!! (Wem dies unglaublich vorkommt, möge nachlesen bei OPPLER 1997). Die Bedeutung dieses BGH-Urteils für die Praxis schätzt OPPLER (1997) wie folgt ein: "Das Urteil des BGH muß zwangsläufig zu einer völligen Revolutionierung der architekten- und ingenieurvertraglichen Gestaltungspraxis führen. Soll heißen: Auch im Architekten- und Ingenieurbereich wird man in Zukunft, wenn man Rechtsnachteile vermeiden will, den vertraglich geschuldeten und mit der vertraglichen Vergütung abgegoltenen Leistungsumfang exakt festlegen müssen." Schluß also mit der lieb gewonnenen und lange geübten Praxis, auf die "Leistungsanfrage" eines potentiellen Auftraggebers, doch bitte ein Angebot über "1 Stück Landschaftsplan" abzugeben, mit einer Berechnung des Grundhonorars gem. HOAI zu antworten und anschließend abzuwarten, ob vielleicht einer der lieben Kollegen billiger "angeboten" hat ??? Wie aber anders vorgehen ??? Der Tradition deutscher Revolutionen folgend habe ich mich daran gemacht, zunächst einmal eine Liste herzustellen. Das (nachfolgend ausschnittweise wiedergegebene) "Kalkulationsblatt Landschaftsplan" ist in drei Spalten gegliedert: Die linke Spalte enthält - chronologisch wie das Leistungsbild der HOAI geordnet und an diesem orientiert - eine (ankreuzbare !!) Aufzählung der (Teil-) Leistungen, die zur Lösung der gestellten Aufgabe (in dem Fall: Erarbeitung eines Landschaftsplans) materiell- und damit vertragsrechtlich erforderlich werden könnten. Sie verfügt darüber hinaus über Leerzeilen für weitere ggf. notwendige Leistungen. Die (honorarrechtlich) notwendige Unterscheidung, ob die aufgelisteten Leistungen Grundleistungen i.S.d. HOAI sind oder nicht, läßt sich zum einen an der Schriftart ablesen (Grundleistungen sind kursiv geschrieben), zum anderen den Angaben in der mittleren Spalte entnehmen. In dieser Spalte ist auch abzulesen, auf welche Art die jeweilige Besondere Leistung gem. HOAI zu vergüten ist. Die rechte Spalte bleibt zunächst frei von Eintragungen und dient der Darlegung der Ergebnisse der konkreten Honorarkalkulation im "Ernstfall". Das dem Kalkulationsblatt zugrundeliegende Prinzip lautet also - ob dies den Forderungen nach einer "Revolutionierung der architekten- und ingenieurvertraglichen Gestaltungspraxis" genügt, möge der Leser entscheiden:
Stefan Wirz ist freier Landschaftsarchitekt BDLA in Hannover und Vorsitzender der BDLA-Landesgruppe Niedersachsen + Bremen
BGH-Urteil vom 24.10.1996 (Az.: VII ZR 283/95)
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