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Brief eines Landschaftsarchitekten an einen Berufskollegen (Landespfleger, Angestellter in
einem von Biologen gegründeten, offensichtlich multidisziplinär zusammengesetzten "Institut"), der mit der Frage an Ihn herangetreten war, ob Interesse an der Mitarbeit bei der Gründung eines eigenen Berufsverbandes "Selbständiger Ökologen" bei ihm bestünde
Lieber XY,
beiliegend - wie heute telefonisch besprochen - einige Materialien1) zum Thema "Ökologie" vs. "Landschaftsarchitekten (BDLA)". Meine Meinung hierzu noch einmal kurz schriftlich auf den Punkt gebracht:
"Ökologie" ist für mich eine Naturwissenschaft. Sie hat damit vor allem das Erkenntnisinteresse, Sachverhalte zu erklären.
Ein Ökologe ist für mich demzufolge jemand, der die Wechselbeziehungen zwischen Organismen (einschließlich der Species Mensch) und ihrer belebten und unbelebten Umwelt erforscht. Dabei kann er sich für den Rückgang von Pflanzen- und Tierarten oder die Verschmutzung der Unterweser interessieren und diese dokumentieren (und damit einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz bzw. zur Flußsanierung leisten), er kann sich aber auch, wenn ihn dies mehr interessiert, mit der Sukzession der Nematoden im Kuhfladen oder der saisonalen Rhythmik der vesikulär-arbuskulären Mykorrhiza beim Bärlauch beschäftigen (zweifellos zwei weniger dem Naturschutz direkt zugutekommende Tätigkeiten).
Die Ökologie (als Profession) hat zwar keinen gesetzlichen Auftrag, sich mit irgendeinem Thema in besonderer Weise zu befassen (und sollte dies - der "Freiheit der Wissenschaften" wegen - m.E. auch nicht bekommen), wohl aber sollte sie - wie im übrigen alle Naturwissenschaften - eine Verpflichtung verspüren, ihre Tätigkeiten zum Nutzen und nicht zum Schaden der Gesellschaft auszuüben, d.h. zur Beantwortung gesellschaftlich relevanter Fragen beizutragen.
Da die überwiegende Mehrzahl der Ökologen dies verantwortlich (beruflich) so handhabt und z.B. zugleich (als Mitbürger) auch im Naturschutz aktiv sind, kommen sie manchmal nach meinem Gefühl ein bißchen durcheinander mit den Aussagen, welche sie als Fachleute für die Analyse und Erklärung von (auch zukünftigen) Zuständen abzugeben in der Lage sind, und Aussagen über den
anzustrebenden Zustand der Welt, der sich nach meinem (und wie der beiliegenden Literatur zu entnehmen ist, nicht nur nach meinem) Verständnis aber gerade nicht aus der "Ökologie" ableiten
läßt.
"Landespflege" (oder auch "Naturschutz und Landschaftspflege" oder auch "Naturschutz") hat den gesellschaftlichen (und in den Eingangsparagraphen der verschiedensten Gesetze konkretisierten) Auftrag, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, eine menschenwürdige
Umwelt zu sichern, etc.
Sie ist daher, anders als die Ökologie im oben definierten Sinne, weniger eine Wissenschaft (obwohl es auch hierbei einiges zu forschen gibt) als vielmehr eine anwendungs- und vor allem zielorientierte Disziplin: "Naturschutz beruht auf objektiven Erkenntnissen der Ökologie und auf subjektiven gesellschaftlichen Inwertsetzungen. Sie wird mit Instrumenten der Politik, der
Verwaltung und der Pädagogik verwirklicht" (ERZ 1986).
Daß es dabei im Kreise der hiermit beruflich befaßten Landespfleger / Landschaftsarchitekten / Grünplaner unterschiedliche Schwerpunkte gibt (der eine beschäftigt sich schwerpunktmäßig mehr mit der Planung für gefährdete Pflanzen- und Tierarten, der andere z.B. mehr mit der Gestaltung innerstädtischer Grünflächen für die dort lebenden Mitmenschen), sollte diesem Berufsstand ebensowenig zum Vorwurf gemacht werden wie dem Beruf des Ökologen die oben skizzierte
Vielfalt der ökologischen Erkenntnisinteressen.
Fazit:
- Der Ökologe verdient sein Geld damit, Erkenntnisse zu sammeln und diese dem Auftraggeber, den Mit-Wissenschaftlern, etc. zu vermitteln (wenn's gut geht, in gesellschaftlich verantwortlicher Weise); dafür ist er als Naturwissenschaftler ausgebildet
- Der Landespfleger hat einen gesellschaftlich definierten Auftrag, er muß auf abstraktem Level (in Gesetzen, Programmen, usw.) postulierte, gesellschaftlich akzeptierte fachliche Ziele für die jeweilige Aufgabe konkretisieren und mit Hilfe von Maßnahmenkonzepten in die Realität umzusetzen versuchen; dafür ist er als Planer ausgebildet.
Die Trennungslinie zwischen den beiden Berufsständen kann ich demzufolge nicht darin erkennen, daß die "guten" Landespfleger (das sind die, die sich mit Pflanzen- und Tierarten, Klima, Luft, Wasser und Boden auseinandersetzen und diese in ihre Planungen einbeziehen) sich zu den
Ökologen gesellen, während die "schlechten" (das sind die, die so schädliche Dinge wie Gärten, Sportplätze, Kinderspielplätze planen) im BDLA ihre Heimat finden sollten. (Ebensowenig käme wohl die Ökologen auf die Idee, "gute", das hieße sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen beschäftigende von "schlechten" Ökologen zu unterscheiden und diese gesonderten berufsständischen Vereinigungen zuzuschlagen.)
Ausschlaggebend für mich sind vielmehr die tatsächlich gegebenen unterschiedlichen Aufgabenbereiche:
- hier die Planungsdisziplin Landespflege, welche (auf den unterschiedlichsten Ebenen und mit den unterschiedlichsten sachlichen Schwerpunkten bis hin zur sog. Objektplanung) agiert, dafür
ausgebildet ist und sich im BDLA als berufsständischer Organisation zusammenschließt,
- dort die Naturwissenschaft Ökologie, welche sich ebenfalls mit den unterschiedlichsten sachlichen Schwerpunkten befaßt (bis hin zu Nematoden in Kuhfladen), die dafür ausgebildet ist, die sich in einer (allerdings noch zu gründenden) berufsständischen Organisation
zusammenschließt und die fortan arbeitsteilig, interdisziplinär oder wie auch immer im einzelnen organisiert, jedenfalls aber sinnvoll im gesamtgesellschaftlichen Sinne mit Auftraggebern, freien Planern, etc. gedeihlich (d.h. auch in finanziell auskömmlichem Sinne) zusammenarbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
(Dipl.-Ing. Stefan Wirz,
Landschaftsarchitekt BDLA)
1)
DAHL, J.: Verteidigung des Federgeistchens - Über Ökologie und über Ökologie hinaus.- Scheidewege H.2/1982, S. 175-199 (auch in: natur H. 12/1982, S. 74-79 u. H. 1/1983, S. 46-50 (Titel: Ökologie pur) und in: Bauwelt 74(1983), S. 228-232 u. 265-266)
ERZ, W.: Ökologie oder Naturschutz? Überlegungen zur terminologischen Trennung und Zusammenführung.- in: Berichte der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Laufen / Salzach Nr. 10/1986, S. 11-17
TREPL, L.: Ökologie und ökologische Weltanschauung.- Natur und Landschaft 56(1981), S. 71-75
WEICHHART, P.: Die normative Komponente wissenschaftlicher Diskussion in Ökologie und Humanökologie.- Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie Bd. VIII (1980), S. 531-536
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