"... Sofern Sie Interesse an der Aufstellung eines Landschaftsplanes haben und bereit sind, mit den Arbeiten umgehend nach Auftragserteilung zu beginnen, bitte ich um Abgabe eines Kostenangebotes bis zum ..., da kurzfristig über die Auftragsvergabe entschieden werden soll."
"... Anbei erhalten Sie einen vollständigen Vertragsentwurf in 3-facher Ausfertigung für eine Umweltverträglichkeitsstudie zum Vorhaben XY mit der Bitte um Abgabe eines Angebotes im Rahmen einer Leistungsabfrage in 2-facher Ausfertigung möglichst umgehend." |
Welcher freiberuflich tätige Planer hat nicht bereits derartige Anfragen auf dem Schreibtisch gehabt!?
Obwohl es inzwischen eine Reihe ministerieller Erlasse, politischer Erklärungen und Aufklärungen zu diesem Thema gibt, stellen Architekten- und Ingenieurkammern und die Berufsverbände nach wie vor fest, daß planerische Leistungen unzulässigerweise ausgeschrieben werden.. Potentielle Auftraggeber, also Kommunen und Privatunternehmen, aber auch Architekten und Ingenieure selbst, wenn sie andere Planer als Subunternehmer beauftragen, schreiben im Vorfeld von Auftragsvergaben jeweils mehrere Adressaten an. Offen oder geschickt verklausuliert fragen sie Preise für Leistungen ab, die auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure freihändig zu beauftragen wären. Die Reaktion der so Aufgeforderten reicht von vorbehaltloser Teilnahme am Preiswettbewerb ("Irgendwie muß ich ja an meine Aufträge rankommen") bis zur schroffen Ablehnung, überhaupt so etwas unsittliches zu tun wie "Angebote" abzugeben. Beide Haltungen sind zwar (vielleicht auch aus der jeweiligen wirtschaftlichen Situation heraus) verständlich, sie sind jedoch weder aus rechtlichen noch aus berufsständischen Erwägungen angemessen.
VerwaltungsvorschriftenUm "Honorarabfragen" zu begründen, wird oft auf die Bundes-, Landes- und Gemeindehaushaltsordnungen verwiesen, wonach vor Abschluß von Liefer- und Leistungsverträgen eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen sei. Dies wird dort allerdings nur gefordert, "sofern nicht die Natur des Geschäftes oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen."
Diese Ausnahmeregelung gilt grundsätzlich für Architekten- und Ingenieurleistungen, da diese wegen ihres Einzelfallbezugs inhaltlich nicht vergleichbar sind. § 1 Abs. 2 der "Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen" (VOL) Teil A regelt daher ausdrücklich:
In der Begründung zu dieser Vorschrift heißt es: Grundlage für die Vergabe freiberuflicher Leistungen soll also den geltenden Richtlinien gemäß kein Preiswettbewerb, sondern Leistungswettbewerb (Kriterien: Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrungen) sein. Dieses Prinzip ist nicht nur vom Bundesrechnungshof bestätigt worden
"Der Bundesrechnungshof hat für die seiner Prüfung unterliegenden Baumaßnahmen stets die Auffassung vertreten, daß Aufträge an freischaffende Architekten und Ingenieure nicht auf Grund von Ausschreibungen vergeben werden sollen, die allein dem Zweck dienen, den niedrigsten Preis zu erzielen; derartige Ausschreibungen würden der Eigenart der Architekten- oder Ingenieurtätigkeit, die sich durch schöpferische, geistige Leistungen vom Herstellen marktgängiger Erzeugnisse unterscheidet nicht gerecht" sondern hat sich auch in entsprechenden Verwaltungsvorschriften der Fachbehörden, beispielsweise
RechtsprechungAuch die Rechtsprechung hat sich - jeweils auf Antrag berufsständischer Verbände - bereits eindeutig zur Ausschreibung planerischer Leistungen geäußert: In seiner Entscheidung vom 4.10.1990 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ausdrücklich festgestellt, daß die Ausschreibung von Planungsleistungen einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb darstellt und damit wettbewerbswidrig ist.In einer zweiten Entscheidung vom 2.5.1991 hat der BGH eine Stadt unter der Androhung einer Ordnungsstrafe von bis zu 500.000,-- DM dazu verurteilt, Honoraranfragen zu unterlassen, die so abgefaßt sind, daß sie zu einer wettbewerbswidrigen Unterbietung der Mindestsätze der HOAI führen können.
ReaktionenArchitekten- und Ingenieurkammern sowie die Berufsverbände der Architekten und Ingenieure bemühen sich seit langem, sowohl durch Aufklärung in der eigenen Mitgliedschaft als auch durch gezielte Aktionen gegen einzelne "Störer" (die allerdings meist nicht "an die große Glocke gehängt" werden), dem "Ausschreibungsunwesen" entgegenzuwirken (vgl. Literaturverzeichnis). Dabei sind zuweilen Erfolge zu verzeichnen (beispielsweise die BGH-Urteile). So ist aber auch nicht zu übersehen, daß noch lange nicht alle potentiellen Auftraggeber von der Notwendigkeit überzeugt werden konnten, von ihrem Tun abzulassen.So gibt es zur Zeit sowohl bei der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes als auch bei der Deutschen Bundesbahn (obwohl unter einem Dach - dem Bundesverkehrsministerium - mit der nicht mehr ausschreibenden Straßenbauverwaltung vereint) interne Vorschriften, wonach Planungsleistungen in der Regel ausgeschrieben werden sollen. Der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten, Landesgruppe Niedersachsen + Bremen, ist Ende 1992 in der Organisation des Widerstandes einen Schritt weitergegangen und hat mit der Herausgabe des "Informationsmaterials zur Unzulässigkeit der Ausschreibung von Architektenleistungen" seinen Mitgliedern konkrete Empfehlungen an die Hand gegeben: Die Infomappe enthält neben einer Zusammenstellung von Aufsätzen, Mitteilungen, Erlassen und Schreiben sowie "Hinweisen zur Auswahl eines Landschaftsarchitekten..." auch vier Formulierungshilfen für Antwortschreiben (als Reaktion auf den Empfang einer Aufforderung zur Abgabe eines "Honorarangebotes") sowie zwei Formbriefe zur Organisation der Gegenwehr:
Empfehlungen
Weiterführende LiteraturArchitektenkammer Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Merkblatt "Warum können Landschaftsarchitektenleistungen nicht ausgeschrieben werden?" Düsseldorf 1987ATV-Ausschuß 6.6 des VBI (Hrsg.): Hinweise zur Auswahl unabhängig Beratender Ingenieure für Aufgaben im Bereich der Abwasser- und Abfalltechnik.- in: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) (Hrsg.): Ökologischer Aufbau - Leitfaden zur Abwasserbeseitigung.- Bonn 1991, S. 43 - 48 Bund Deutscher Landschaftsarchitekten, Landesgruppe Niedersachsen + Bremen (Hrsg.): Informationsmaterial zur Unzulässigkeit der Ausschreibung von Architektenleistungen.- Hannover 1992 Bundesarchitektenkammer: Keine Ausschreibung von Architektenleistungen, Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Erich Riedl spricht sich gegen die Ausschreibung von freiberuflichen Leistungen in Europa aus.- Deutsches Architektenblatt 3/1988, S. 339 Bundesgerichtshof (BGH): Urteil vom 04.10.1990.- Baurecht 1991, S. 99 Bundesgerichtshof (BGH): Urteil vom 02.05.1991.- Baurecht 1991, S. 638 ff. Franken, H.: Ausschreibung von Landschaftsplanerischen Leistungen.- Garten + Landschaft 11/91, S. 50 Franken, H.: Keine Ausschreibung.- Garten + Landschaft 3/92, S. 69 - 70 Franken, H.: "Ausschreibung" planerischer Leistungen.- in: HOAI-Kommentar für Landschaftsarchitekten.- Wiesbaden und Berlin 1992 Gemeinden dürfen Ingenieurleistungen nicht ausschreiben.- Deutsches Architektenblatt 12/91 1.1 Ingenieurkammer Niedersachsen (Hrsg.): Informationen zu den Grundsätzen der Vergabe von Ingenieur- und Architektenleistungen.- Hannover 1991 Ingenieurverband Wasser- und Abfallwirtschaft e.V. (INGEWA) / Verband Beratender Ingenieure e.V. (VBI) / Verband unabhängig beratender Ingenieurfirmen e.V. (VUBI) (Hrsg.): Vergabe von Consultingleistungen.- Bonn 1993 Lehmann, M.: Die grundsätzliche Bedeutung der HOAI für die Sicherung des Leistungswettbewerbs der Architekten und Ingenieure.- Baurecht 5/86, S. 512 - 521 Osenbrück, W.: BGH: Ausschreibung von Ingenieurleistungen ist wettbewerbswidrig (Urteil v. 4.10.1990).- Beratende Ingenieure 4/1991, S. 6 - 7 Osenbrück, W.: Honorarausschreibung über Architekten- und Ingenieurleistungen ist wettbewerbswidrig.- Deutsches Architektenblatt 1/92, S. 83 Osenbrück, W.: Die RBBau.- Düsseldorf 1990 Osenbrück, W. & H. Dziallach: Welche Auswirkungen haben Unterbietungen der Mindestsätze?- Beratende Ingenieure 3/86, S. 4 - 7 Osenbrück, W. & H. Dziallach: Zulässigkeit und Grenzen der Ausschreibungen.- Beratende Ingenieure 9/86, S. 4 - 7 Plankemann: Architektenleistungen ohne Honorar? Oder: Angebot und Nachfrage.- Deutsches Architektenblatt 3/92, S. BN 53 - 54 Pöschl, W.: Ausschreibung von Architektenleistungen. BGH verurteilt Gemeinde zur Unterlassung einer Honoraranfrage.- Deutsches Architektenblatt 10/91, S. 1580 - 1581 Schlömilch, E.: HOAI: Landgericht untersagt Unterschreitung des HOAI-Mindestsatzes.- Deutsches Architektenblatt 4/87, S. BN 82 - 85 Schlömilch, E.: Auftragsvergabe: Auswahl des Architekten.- Deutsches Architektenblatt 3/92, S. BN 51 - 53 |